September 2015

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Software-Klassiker zum Nachlesen: Ovation

David Pilling hat heute verkündet, dass er den Source-Code eines seiner Frühwerke – dem DTP-Programm “Ovation” – veröffentlicht hat.

Hier geht es zur entsprechenden Seite mit Download-Möglichkeit. Nur für den Source-Code wohlgemerkt, denn die Rechte für die Software liegen derzeit bei APDL. Nach dem Tod von David Holden soll die dort vertriebene Software irgendwann zum freien Download bereitgestellt werden – ich vermute, dass deshalb David die Zeit gekommen sah, den Source-Code freizugeben.

Ich finde vor allem den Text, den David zu Ovation geschrieben hat, sehr interessant. Denn er enthält ein paar ewig gültige Weisheiten der Softwareentwicklung, die ich folgendermaßen zusammenfassen würde:

  • Software, die gut aussieht, verkauft sich besser
  • Nur Wahnsinnige schreiben einigermaßen komplexe Software in Assembler
  • Wofür man in Assembler ein ganzes Team benötigt, kann selbst in einer assemblerartigen Hochsprache wie C ein einziger Entwickler leisten
  • Auf lange Sicht ist Assembler-Code praktisch unwartbar (siehe auch: Impression-X)
  • Nur weil etwas auf lange bis sehr lange Sicht die richtige Entscheidung war, heißt das nicht, dass man langfristig auch den Erfolg dafür erntet
  • die Software-Entwicklung früher – langsame Maschinen, noch langsamere Massenspeicher, wenig Speicher, kein vernünftiges Tooling – war eine echte Qual (meine Programmierkarriere begann auf einem Schneider CPC 464 – zeilenbasierter Editor, BASIC mit Zeilennummer und GOSUB als einzigem Merkmal strukturierter Programmierung, Speichermedium Datasette)

Manchmal hat man das Gefühl, dass die Software-Entwicklung unter RISC OS immer noch auf dem Stand Ende der 80er Jahre verharrt. Dazu muss man nur mal Diskussionen in diversen Foren verfolgen, wo immer noch das Hohelied auf den Norcroft C-Compiler oder Acorn BBC BASIC gesungen wird. Wirklich professionelle Software-Entwicklung mit den heute gängigen Tools – moderne Versionsverwaltung mit Git oder Mercurial, Continuous Integration, Cross-Compilation auf leistungsfähigen Rechnern, echte Hochsprachen – findet unter RISC OS kaum statt. Stattdessen typische 1-Mann-Projekte in BASIC und C. Was natürlich trotzdem gute Software hervorbringen kann. Aber unter deutlich erhöhtem Aufwand und nicht nachhaltig. Und erhöhter Aufwand ist der Tod für eine Plattform, deren aktive Programmierer man an zwei Händen abzählen kann.

Aber das wäre ein Thema für einen anderen Blog-Beitrag. Oder auch hunderte.

Der Otter ist gelandet

Seit einiger Zeit zirkulieren in kleinem Kreis verschiedene Versionen des WebKit-basierten Browsers namens Otter, wie schon früher berichtet. Jetzt hat Chris Gransden, Meister der hundert Portierungen, den Otter in den Autobuilder gesteckt, was einem offiziellen Release gleichkommt. Siehe auch der entsprechende Thread im ROOL-Forum.

Der Otter-Browser nutzt als UI-Tookit Qt5, das vor einiger Zeit von Lee Noar auf RISC OS portiert wurde. Das führt leider dazu, dass Performance und Desktop-Integration sich leicht suboptimal gestalten. Aber lieber ein langsamer Browser als gar kein Browser. Schwierigkeiten gibt es vor allem noch auf der Javascript-Seite – hier ist nur der Interpreter und nicht der JIT aktiv, weil letzterer noch extrem absturzfreudig ist. Dadurch ist komplexes Javascript eher langsam. Aber um den heimischen Router zu konfigurieren, sollte es reichen.

Um nicht einzuschlafen, ist ein PandaBoard, ARMX6 oder IGEPv5 anzuraten. Ein Raspberry Pi 2 ist grenzwertig.

Jetzt, wo nachgewiesen ist, dass ein WebKit-basierter Browser durchaus brauchbar unter RISC OS auf existierender Hardware funktionieren kann, braucht es nur noch ein motiviertes Individuum, um eine etwas nativere RISC OS-Portierung von WebKit auf den Weg zu bringen.