Januar 2022

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Toolbox-Gadget-Update

Eine der größten RISC OS-Miseren ist vermutlich der Zustand der Entwicklungswerkzeuge. Die Community ist zersplittert in mehrere Fraktionen: die BBC BASIC-Fraktion, die seit den 80ern auf den BBC-8-Bittern auf die Kraft des Interpreters vertraut. Die Norcroft-Fraktion, die C-und-ein-wenig-Assembler-im-Bedarfsfall favorisiert, also dem althergebrachten Acorn-Style vertraut und vermutlich auf einen großen Sack voll selbstgebauter Bibliotheken. Und zuletzt die GCC-Fraktion, die C oder C++ nutzt, gegen die Unzulänglichkeiten der Portierung kämpft, sich mit ELF anfreunden muss, aber dafür potenziell Zugriff auf viele Open-Source-Bibliotheken aus aller Welt hat, die mittels GCCSDK-Autobuilder auch leidlich automatisiert auf dem aktuellsten Stand gehalten werden können.

Mitte der 90er, nachdem Acorn genug Beweise für das Scheitern des RISCOSLib-Ansatzes gesammelt hatte, machte man dort einen neuen Versuch: die „User Interface Toolbox“ – kurz „Toolbox“ sollte es richten. Eine prinzipiell programmiersprachenneutrale Sammlung aus Modulen und Tools, erweiterbar mit neuen Oberflächenelementen, „Gadgets“ genannt, sollte sowohl die C-/C++-Fraktion (C++ nur im allerweitesten Sinne, das DDE mit dem Norcroft-C-Compiler im Kern nutzt dafür das schon damals hoffnungslos veraltete CFront) als auch die Hardcore-Assembler-Fraktion als auch die BBC-BASIC-Fraktion unter einem gemeinsamen Banner vereint in die wunderbare Zukunft moderner UI-Technologie leiten.

Dieser Plan scheiterte. Die Toolbox sprang an zu vielen Stellen zu kurz: nur die wenigsten Entwickler konnten davon überzeugt werden, ihre Neuentwicklung auf die Toolbox zu stützen oder gar ihre Bestandssoftware umzustellen. Zum Erscheinungszeitpunkt der Toolbox hatte jeder Entwickler schon in eigene Bibliotheken investiert, die typischerweise schon deutlich leistungsfähiger als die Toolbox war. Dazu kamen zu viele Bugs, zu langsames Bugfixing, schlechte Doku vor allem bezüglich der Nutzung der Modularität zwecks Erweiterung durch eigene Gadgets, zu viel Speicherbedarf für die damals noch weitverbreiteten 4-MiB-RISC OS 3.1-Maschinen, zu wenig Nutzen wegen akuter Feature-Armut, Zwang zum DDE-Kauf weil der „GUI-Designer“ namens ResEd nur im Paket mit diesem zu haben war, zu wenig Abstraktion (man war deutlich zu nah am WIMP), durch die Realisierung als Module lief plötzlich viel Code einer App im OS-Kontext, zu unsicher die Zukunft einer Acorn-closed-source-Lösung – jeder Entwickler hatte seine individuelle Liste an Gründen, die Toolbox nicht einzusetzen. Ein kurzer Hoffnungsschimmer flammte noch 1997/1998 auf mit dem heroischen Weiterentwicklungsakt getrieben durch Java und Browse, als tatsächlich Fortschritt sichtbar war an der UI-Front vom Nested-WIMP über neue Gadgets bis hin zu frei zugänglicher Dokumentation, wie man denn diese Gadgets richtig schreibt. Too little, too late.

Gewisse Problemfelder der Toolbox sind inzwischen nicht mehr so problematisch zu sehen – dank des Open-Sourceings von RISC OS sind nun sowohl ResEd als auch die Module für jedermann frei zugänglich und sowohl erweiter- als auch fixbar, und nach 25 Jahren Stabilisierung ist auch das Thema Bugs weitestgehend gegessen. Auch einige größere Anwendungen sind auf Toolbox-Basis geschrieben und beweisen deren Stabilität und grundsätzliche Tauglichkeit, und es gibt ein paar Bibliotheken oder Frameworks drumrum, die die Arbeit erleichtern. OSLibSupport sei hier zu nennen, TBX, oder auch AppBasic. Und RISC OS 3.1-Kompatibilität und Speicherfeilschen im einstelligen Kilobyte-Bereich ist Gott sei Dank auch nur eine vage Erinnerung an eine längst vergangene dunkle Periode, allgemein bekannt als „die schlechte alte Zeit“.

Nun hat Rik Griffin verlauten lassen, dass er zwei seiner Toolbox-Gadgets, „Tabs“ und „Tree“, als Open Source auf GitHub veröffentlicht (und vermutlich auch noch andere Software aus seiner Feder). Unter BSD-Lizenz. Eine gute Sache, bietet es doch die Möglichkeit, die Module in RISC OS 5 zu integrieren und damit das Thema „Auslieferung“ für den geneigten Entwickler deutlich zu vereinfachen. Den Anfang macht das Tabs-Gadget, und dank der aufmerksamen Community sollte der jetzt veröffentlichte Stand self-contained von jedem DDE-Nutzer in Objektcode überführbar sein.

In einem anderen Thread im ROOL-Forum hat Tank aka Robert Kinton diese freudige Nachricht zum Anlass genommen, sein DateGadget (ein Date-Picker-Toolbox-Objekt) aktualisiert zum Download bereitzustellen. Noch ohne Source Code, aber was nicht ist kann ja noch werden.

Eine späte Renaissance der Toolbox? Man wird sehen. In Gerphs RISC OS-Rambles gibt es ja auch das Toolbox-Thema in einigen Beiträgen, da kann man sehen was möglich gewesen wäre, wenn es nur ausreichend Entwicklerkapazität zum richtigen Zeitpunkt gegeben hätte.