Der dritte Kandidat unter der Hardware, die ich bei der Classic Computing 2016 zeigen will, ist der Raspberry Pi Model B+. Der Raspberry Pi startete 2012 die Revolution der wirklich preiswerten SBCs, die trotzdem genügend CPU-Power haben um für allgemeine Anwendungen nützlich zu sein – auch wenn die Linux-Fraktion am ersten Modell, das mit sparsamen 256 MB RAM ausgerüstet war, sehr rumgemäkelt hat. RISC OS-Nutzer konnten das nicht nachvollziehen, gelten hier doch 256 MB RAM als unendliche Speicherweiten.
Aus RISC OS-Sicht ist der Raspberry Pi etwas Besonderes. Zum einen unterhält RISC OS Open Ltd. eine besondere Beziehung zur Raspberry Pi Foundation – dadurch ist eine sehr gute und aktuelle Unterstützung der Hardware gelungen, wann immer eine neue Variante auf den Markt kommt, ist meist die passende RISC OS-Version direkt verfügbar. Zum anderen sind die Treuhänder der Raspberry Pi Foundation teilweise alte Bekannte. Von David Braben stammt das legendäre Spiel Zarch, ein (nein, DER) Launch-Titel des Acorn Archimedes. Alan Mycroft ist das “croft” im Norcroft-Compiler, der unser aller Lieblingsbetriebssystem baut. Und die anderen hatten bestimmt mal einen Acorn BBC Model B oder Electron.
Warum das alte Modell mit dem ARM11? Das hat seinen Grund in der Zielrichtung “Retro”. Der Ur-Pi hat noch eine ARMv6-CPU intus, die im ARMv5-Kompatibilitätsmodus laufen kann. Das macht den Ur-Pi am besten kompatibel zur Software der IYONIX pc-Zeit, und er ist die am besten unterstützte RISC OS 5-Plattform von ADFFS, welches es ermöglicht, die guten alten Spiele von Ende der 80er/Anfang der 90er auf aktueller Hardware zu zocken. Abgesehen davon profitiert RISC OS nicht so dramatisch wie andere Betriebssysteme von den neueren Multicore-Modellen und performt auf der ollen 700MHz-Kiste sehr ordentlich.
Also habe ich den Raspberry Pi B+ aus seinem schäbigen Plastikgehäuse befreit, wo er seit dem Kauf sein Dasein fristet, und ihn in ein Original-Pi-Gehäuse in stylishem Grau-Schwarz verfrachtet. Die RISC OS-Installation war auf dem Stand von 2015, also kurzerhand eine frische schnelle Transcend-microSD-Karte geschnappt und eine neue Installation hochgezogen. RISC OS Nightly Build, aktuellste RPi-Firmware von Github geholt, nur die alte config.txt blieb erhalten. Alles mit SystemDisc eingerichtet, microSD-Karten getauscht, und…startet, sieht aber komisch aus, wie Falschfarbendarstellung. Kurzes Googeln bringt es an den Tag: es gab Änderungen beim Default der Farbkonfiguration des VideoCore. Jetzt braucht es den Eintrag framebuffer_swap=0 in der config.txt. Wer auf “merkwürdig bunt” steht, kann es natürlich auch lassen, denn auf gewisse Art und Weise erinnert die Falschfarbendarstellung durchaus an die Archimedes-Anfangszeiten mit Arthur als Betriebssystem. Bei der Gelegenheit konnte ich gleich den Overscan deaktivieren – wie sich ein solches Rudiment aus der Röhren-Analog-Monitor-und-Fernseher-Zeit so lange halten kann…
An Software habe ich die gängigen Anwendungen wie Zap, StrongEd, Pipedream, Fireworkz, Vector, OvationPro, DPingScan, SparkFS usw. am Start, aber natürlich soll der Schwerpunkt auf “Retro” liegen. Dabei helfen ADFFS, A310Emu und ArchiEmu als Emulationsplattformen für die gute alte Welt. Man wird also den 1:1-Vergleich zwischen Original, FPGA-Simulation und verschiedenen Emulationstechniken ziehen können.
Besonders ADFFS hat mich lange Zeit an den Rand des Wahnsinns getrieben. Einmal deshalb, weil die JASPP-Archive mit den Spielen in einem Format sind, das ADFFS gar nicht direkt nutzen kann – man muss stattdessen die Disc-Images auspacken, Filetypen und umbenennen. Aha. Dafür habe ich vorsichtshalber ein kleines rudimentäres Java-Programm geschrieben, das dieses automatisch erledigt und gleich so Feinheiten wie “Zeichen in Dateinamen, die RISC OS und Filecore nicht unterstützen” berücksichtigt und die überlangen Namen sinnvoll einkürzt, damit sie auch auf einen A3000 passen.
Das andere Problem: ADFFS braucht für die Emulation zwingend im MDF den Screenmode, den das Spiel verwenden will – hat man den nicht, kommt es zu lustigen Effekten wie Multiplikation des Bildschirminhalts inklusive übler Flackerei. Gott sei Dank gibt es hier mit AnyMode von Steve Harrison eine komfortable Lösung – dank der Flexibilität des Pi-Videoprozessors, der beliebige Auflösungen automatisch auf die Auflösung des Monitors skalieren kann, reicht AnyMode einfach jede beliebige Mode-Anfrage an diesen weiter und signalisiert der Anwendung: Auflösung ist möglich! Zur Ehrenrettung von ADFFS: dass auf dem Pi AnyMode von Vorteil ist, ist durchaus dokumentiert.
Jetzt habe ich erstmal alles Notwendige auf der microSD-Karte, kann mich also dem Finetuning und Test widmen. Etwas schade: leider gibt es noch keinen USB-Treiber für klassische digitale Joysticks, der die Acorn-SWIs unterstützt – das wäre doch ein schönes Projekt für “Live-Messe-Coding”. Aber Joystick-Unterstützung war in Archimedes-Spielen schon immer eine Seltenheit.
Und ich wollte noch drei Info-Blätter mit den technischen Daten meiner drei Gerätschaften erstellen.
Übrigens habe ich noch gerade rechtzeitig heute vier kleine Gimmicks mit der Post bekommen, die am GAG-Stand auf der CC2016 begutachtet und bewundert werden können.