Vor 25 Jahren (genauer: am 1994-04-15) kündigte Acorn den Risc PC an, eine neue Generation Hardware nach dem Archimedes (A3xx/A4xx/A540/A3000) und der A-Serie (A3010/A3020/A4000/A5000/A4). Mit stark verbesserten Grafikfähigkeiten (z.B. TrueColour-Unterstützung, bis zu 2 MiB VRAM), bis zu 256 MiB RAM, verbessertem Betriebssystem (RISC OS 3.50) und zukunftsfähiger Architektur – CPU auf einer Steckkarte (zu Anfang ein 30 MHz ARM610), zweiter CPU-Steckplatz für eine zum damaligen Zeitpunkt für Q4/1994 angekündigte PC-Karte (“zwei Computer in einem”) und einem innovativen Gehäusekonzept, das eine modulare Erweiterung (quasi scheibchenweise – englische Bezeichnung: “Slice”) ermöglichte. Beim angedachten Maximalausbau mit 4 Slices war Platz für 4 5,25″-Laufwerke und 5 3,5″-Laufwerke nebst 8 Erweiterungskarten (“Podules”) und einer Netzwerkkarte (“NIC”).
Ungewöhnlich für die damalige Zeit, und vermutlich eine vorbeugende Maßnahme gegenüber eventuellen Unkenrufen, dass das wieder enden würde wie beim A540, der bekanntlich auch eine CPU-Karte hatte, aber nie ein Upgrade dafür bekam: Acorn garantierte bereits damals Upgrade-Preise für zukünftige CPUs wie den ARM700 und den ARM800. Letzterer erschien nie, weil durch glückliche Fügung bereits 1996 der DEC StrongARM mit phantastischen 200 MHz zur Verfügung stand und als das vermutlich beste Performance-Update eines Computers überhaupt in die Geschichte einging.
Die originalen Pressemitteilungen aus dieser Zeit ist immer noch bei Google Groups nachlesbar: Acorn Risc PC Press Releases
Ein echtes Zeitdokument findet sich auch auf YouTube mit der Video-Aufzeichnung des “Launch Events” in London am 1994-04-16: Acorn Risc PC Launch – 16th April 1994
Obwohl schon fertig, hatte Acorn auf der CeBIT 1994 im März den Risc PC nur der Fachpresse im Hinterzimmer gezeigt – die Jungs von ARM wussten das aber nicht und hatten einen Medusa-Prototyp auf ihrem Stand, den Eingeweihte trotz ungewöhnlichem Gehäuse sofort als den kommenden Risc PC identifizieren konnten (ohne den Namen damals zu kennen) – an der Masse der Besucher ging dieses Kleinod aber natürlich komplett vorbei. Stattdessen wurde der Risc PC auf der international unbedeutenden Education-Messe in Harrogate der “breiten” Öffentlichkeit zum ersten Mal präsentiert. Eine weitere Kuriosität in der langen Geschichte der “epic marketing fails” seitens Acorn.
Kritik regte sich recht schnell bezüglich diverser Details jenseits der üblichen Einschätzung “zu wenig für zu viel Geld” im Angesicht der berüchtigten Sparsamkeit Acorns bezüglich Hauptspeicher- und Festplattengrößen:
- Der ARM610 mit sparsamen 30 MHz und weiterhin 4 KiB Cache war eher langsamer als sein Vorgänger ARM3, der in Spezialversionen auf bis zu 36 MHz getrieben wurde.
- Das 2 MiB-VRAM-Maximum schien damals schon etwas knapp, denn es limitierte die mögliche TrueColour-Auflösung auf 800×600, was auf 1994 bereits gängigen 17″-Monitoren etwas schmal wirkte.
- Dazu die Entscheidung, zwar tastaturtechnisch auf PS/2 zu wechseln, aber beim zunehmend merkwürdig anmutenden Busmaus-Anschluss zu bleiben.
- Die Tatsache, dass die PC-Karte erst rund neun Monate später kommen sollte (tatsächlich wurde es schließlich April 1995, bis die ersten Exemplare in Kundenhand waren).
- Die Frage, ob das doch relativ lahmelige RAM (16 MHz effektiver Systemtakt, 32bittige Anbindung) zukünftigen CPUs und vor allem dem propagierten Mehrprozessorbetrieb gewachsen sein würde.
- Die doch recht sparsamen neuen Features in RISC OS 3.50, das insgesamt gegenüber dem fast schon drei Jahre alten RISC OS 3.10 kaum mehr als Anpassungen an die neue Hardware beinhaltete – das weckte durchaus Zweifel bezüglich der Fähigkeit Acorns, die bitter notwendigen Nachrüstungen am OS einigermaßen zeitnah vorzunehmen – verstärkt wurde das noch, als Windows 95 erschien, OS/2 beinahe schon im Massenmarkt etabliert war und Apple mit dem PowerPC auf eine leistungsfähige CPU umschwenkte.
- Das einkanalige IDE auf dem Motherboard, vor allem nachdem durchgesickert war, dass die Medusa-Prototypen SCSI on board hatten.
- Nur eine serielle Schnittstelle, obwohl der verbaute Multi-IO-Chip zwei davon intus hatte.
- Die eher sparsam aufgerüstete Podule-Schnittstelle, die nun bei theoretisch 8 MiB/s (in der Praxis eher 6,5 MiB/s) ihr Maximum weit unter damals verfügbaren ISA-Busmaster-DMA-Karten erreichte, von VLB und PCI ganz zu schweigen.
- Das schwächliche Netzteil, das der Erweiterbarkeit des Gehäuses nicht angemessen schien.
- Die praktisch unveränderten Soundfähigkeiten (8-Kanal 8-Bit), obwohl der neue VIDC20 16bit-Sound unterstützte (das wurde später durch recht preisgünstige Upgrades korrigiert).
- Und wieder kein Floating Point-Coprozessor standardmäßig, ja nicht mal eine CPU mit Coprozessor-Bus zur späteren Aufrüstung (das wäre der ARM600 gewesen).
- Angesichts der möglichen 256 MiB RAM im Vollausbau wurde auch langsam klar, dass der 26bit-Adressmodus mit seiner Limitierung der Programmgröße auf 28 MiB aufgrund der althergebrachten RISC OS-Memory-Map ein Ding der Vergangenheit war – eventuell wäre es besser gewesen, schon damals den Schnitt hin zu den echten 32bit-Prozessormodi zu machen, aber Manpower war knapp und die Rückwärtskompatibilität aufgrund der Verankerung im Education-Bereich fast schon heilig, und die nicht vorhandene CPU-Mehrleistung machte eine Emulationslösung unattraktiv.
Was in Summe dazu führte, dass für einen A5000-Besitzer, womöglich gar mit FPA, 8 MiB RAM und Colour Card Gold, der Risc PC kaum eine Überlegung wert war.
Und der Preis war natürlich auch immer ein Thema, aber im Angesicht der PC-Karte für 99 UKP – damals etwa 250 DM, der Pfundkurs war deutlich günstiger für uns Deutsche als noch Anfang der 90er – relativierte sich der anspruchsvolle Preis etwas, denn schließlich kaufte man ja quasi zwei Computer in einem, einen mit RISC OS und einem mit DOS und Windows. Und einen Computer mit eingebauter Zukunftsfähigkeit.
Mein eigener Einstieg in die Risc PC-Welt – seit 1990 hatte ich einen A3000, aufgerüstet mit 4 MiB RAM, RISC OS 3.10 und SCSI – begann 1995 mit der zweiten Generation, dem Risc PC 700 mit 40 MHz ARM710, RISC OS 3.60 und der PC-Karte von Anfang an. Ein sehr rundes Gerät, die CPU deutlich schneller vor allem dank 8 KiB Cache, das RISC OS deutlich abgerundet und mit allen entscheidenden Dingen von CDFS über TCP/IP-Stack bis zu den Toolbox-Modulen und dem Draw/Paint/Edit-Triumvirat im ROM. Ein riesiger Fortschritt gegenüber dem A3000.
RISC OS-technisch wurde der Risc PC erst 2002 durch einen Castle IYONIX pc ergänzt und läuft bis heute ganz prima. Ein beständiges und letztlich im wahrsten Sinne des Wortes preiswertes Stück Hardware, aufgerüstet über die Jahre bis an die Zähne mit 287 MHz StrongARM, 128 MiB RAM, RISC OS 4.29 (aka “Select 1”), IDE-Podule, SCSI-Podule, ViewFinder-Grafikkarte, Dual-Serial-Podule und 100 MBit-Ethernet-NIC.
Edit 2019-05-15: peinlichen Schreibfehler korrigiert, den ich erst in gedruckter Form in der neuen GAG-News gesehen habe 🙁