Ich denke, das ist einer der seltenen Premieren-Artikel – zu einem Thema, das ich bisher in keinem der fünf Blogs gestreift habe. Vermutlich deshalb, weil ich da von echtem Expertentum doch ziemlich entfernt bin, aber das hat mich noch nie davon abgehalten, klug daherzuschwätzen.
Das heutige Thema dreht sich um einen Effekt, den ich zum ersten Mal auf dem C64 in einem Cracker-Intro gesehen habe, und der damals (1984?) allgemein unter dem Begriff “Raster-Balken” lief. Im Prinzip farbige, animierte horizontale Linien, die lustige Bewegungen auf dem Bildschirm vollführten und wahlweise im Vorder- oder Hintergrund von anderen Grafiken – statisch oder ebenfalls animiert – dargestellt wurden. Wer sich noch an die eher gletscherartige Zugriffsgeschwindigkeit der CPU auf den Bildschirmspeicher zur damaligen 8-Bit-Zeit erinnert, weiß sofort: da wurde mit Hardware-Tricks gearbeitet. Sicheres Erkennungsmerkmal: die “Raster Bars” füllten nicht nur den normalerweise beschreibbaren Bildschirmbereich, sondern auch den Rahmen, der normalerweise nur einfarbig sein konnte.
Als dann der Amiga die Szene betrat, wurden die Effekte nochmal deutlich ausgefeilter und liefen unter dem Oberbegriff “Copper Effects”, wobei der “Copper” ein Teil von Agnus war, einem der Amiga-Coprozessoren. Die Architektur des Amiga erlaubte es über DMA-Mechanismen diesen Coprozessoren im Prinzip CPU-unabhängig lustige Dinge zu veranstalten. Im Falle des Coppers z.B. die komplette Umkonfiguration von Bildschirmparametern wie Farbpalette, Auflösung, Farbtiefe und so weiter während des Bildschirmaufbaus zu ändern, und zwar auf Pixelebene, und nicht wie früher auf dem C64 nur auf Zeilenebene.
Auf dem Archimedes waren solche Effekte zwar möglich, aber sehr kompliziert, weil man eben keinen Raster-Interrupt zur Verfügung hatte und keinen Copper, d.h. man musste das Timing “zu Fuß” hinbekommen. Im Prinzip warten auf VSync, und dann die richtige Zeit abwarten, um den VIDC mit neuen Parametern zu versorgen. Nicht gerade leichter gemacht dadurch, dass das Timing der Kisten ja alles andere als einheitlich war: ARM2 mit 8 MHz bis ARM3 mit 36 MHz, Video-DMA je-nach-Bildschirmmodus, dazu die Variabilitäten durch die RISC OS-Interruptbehandlung…
Rasterman to the rescue: kürzlich hat Steve Harrison (den Szene-Insidern vielleicht auch noch unter seinem Pseudonym Phoenix der Demo-Coder-Gruppe Quantum bekannt), den einige vielleicht aufgrund seiner früheren Schöpfungen QTMTracker und AnyMode kennen, endlich den Sourcecode für Rasterman freigegeben, inklusive Beispielen und Dokumentation und einem Versionsupgrade auf 0.21. Man kann sich auf der Seite auch zwei YouTube-Videos anschauen, die einige mögliche Effekte schön illustrieren.
Haken an der Sache: ohne reale Archimedes-Hardware hat man nur den halben Spaß, weil Arculator auch in der Version 2 vom Timing her noch nicht ganz präzise genug ist, um alle Effekte unfallfrei zu emulieren. Notiz für mein zukünftiges Ich, das viel mehr Freizeit hat: mal auf dem Archimedes-Core des MIST(er) nachprüfen, wie genau da emuliert bzw. simuliert wird.
Randnotiz: der Acorn Archimedes erinnert in dieser Hinsicht stark an den Schneider/Amstrad CPC, der auch ganz ohne Hardwareunterstützung Tricks wie Raster Bars “zu Fuß” erledigen musste. Insofern war mein Umstieg vom CPC zum Acorn A3000 damals irgendwie folgerichtig.