Hubersn

Arculator v2.0 ist da

Sarah Walker hat heute die Verfügbarkeit von Arculator v2.0 verkündet. Die letzte releaste Version, 0.99, hatte Mitte des Jahres 10 Jahre Geburtstag gefeiert. Wahnsinn. Sollte jemand Arculator noch nicht kennen: während RPCEmu sich um die Emulation der Maschinengeneration Risc PC und A7000 kümmert (und damit um RISC OS-Versionen ab 3.50 aufwärts), nimmt sich Arculator dem Namen entsprechend der Generation Archimedes an – vom A310 bis zum A5000, also alles, was mit RISC OS bis einschließlich Version 3.19 lief.

Was ist neu in der Version 2.0? Ein so großer Versionssprung legt ja doch gewisse tiefgreifende Verbesserungen nahe, aber Zahlen sind bekanntlich geduldig. Also gehen wir ins Detail. Ich habe noch nicht alles durchgetestet, das ist nur ein erster Eindruck. Vorab: die Beschäftigung mit der neuen Version lohnt auf jeden Fall!

Neu ist die Maschinenkonfiguration. Bisher startete Arculator mit den letzten Einstellungen, was maschinenspezifische Dinge anging – ARM2 oder ARM3, old-style I/O (A540 und früher) oder new-style I/O (A5000 und später), Betriebssystemversion, RAM. Gewisse Dinge waren dann fest mit anderen Details verhenkelt – wenn man beispielsweise old-style I/O konfigurierte, wurde automatisch das Risc Developments IDE-Podule emuliert mit IDEFS, bei new-style I/O hingegen das IDE-Interface vom A5000 über ADFS. Beide verwendeten hartcodiert hd4.hdf und hd5.hdf als Festplattenimages. Jetzt ist alles anders: man kann eine beliebige Anzahl von zu emulierenden Maschinen konfigurieren – man nimmt eine Basismaschine (A310, A540, A3000, A5000…) und stellt dann die Details ein – ARM2 oder ARM3, welche Frequenz. MEMC1 oder MEMC1a, RAM mit 8 MHz oder 12 MHz, FPA10 oder nicht, welches Betriebssystem steckt drin (Arthur 0.30 bis RISC OS 3.19), wieviel RAM ist an Bord, gibt es ein Joystick-Interface und sind Podules aktiv. Vor allem letztes eröffnet schöne neue Möglichkeiten, denn es wird eine illustre Reihe an Podules angeboten: das klassische Acorn SCSI-Podule, das sowohl Festplatten als auch CD-ROMs emulieren kann (virtuell oder aufs Host-CD-Laufwerk mappend – für die Detailverliebten: es wird ein Toshiba XM3301 emuliert, ein alter Caddy-Recke, der von den stets mit CDFS gelieferten CDFSSoftEESOX-Treibern unterstützt wird). Verschiedene IDE-Podules. Das Acorn ST506-Podule (MFM-Platten, die Älteren erinnern sich). Dazu noch das Wild Vision Midi-Podule und das Computer Concepts Lark-Podule, eine in freier Wildbahn selten gesehene Sound-Erweiterung (auch von Wild Vision designed) mit MIDI, 16bit-Stereo-Output und 16bit-Sound-Sampler. Eher exotisch: das HCCS Ultimate CD-ROM-Podule, das den Betrieb eines der damals gängigen Mitsumi-Laufwerken erlaubte, bevor IDE-ATAPI-CD-ROMs die Herrschaft übernahmen. Auch hier kann man ein physisches oder virtuelles Laufwerk zuordnen, aber da es diese Möglichkeit ja auch schon beim SCSI-Podule gibt, ist der Zusatznutzen eher gering.

Bei der Maschinenkonfiguration ist zu beachten, dass man nicht beliebig kombinieren kann – so ist ein A3000 mit Arthur als OS nicht möglich, genausowenig wie mit dem MEMC1. Ein ARM3 geht stets nur mit dem MEMC1a zusammen. FPA10 erfordert zwingend einen ARM3. Und in einen A5000 kann man keinen ARM2 reinkonfigurieren. So viel Realismus muss sein.

Und noch mehr Liebe zum Detail ist erkennbar: so kann man pro Maschine die “Unique ID” einstellen. Das ist eine Acorn-Erfindung, die seit dem A5000 sein Unwesen treibt. Damit konnte Software sich bei der Installation an diese ID binden und so als eine Art Kopierschutz fungieren. Da aber ältere Maschinen ohne diese ID kamen, haben clevere Zeitgenossen einfach die ID so manipuliert, dass sie als nicht initialisiert galt und damit der Software vorgaukelte, eine alte Maschine ohne ID zu sein. Kurz gesagt: eine Flop-Idee. Allerdings könnte es natürlich sein, dass jemand noch Originaldisketten im Bestand hat, die an eine bestimmte ID gebunden sind. Von daher ist die Simulation der ID eine lobenswerte Sache für diese seltenen Fälle.

Was gibt es unter der Haube zu vermelden? Das ungeliebte Allegro-Framework ist Geschichte, jetzt ist alles SDL2-basiert, mit wxWidgets für die grafische Oberfläche. Daran ist höchstens schade, dass damit eine Portierung nach RISC OS sehr aufwändig wird, weil beide Bibliotheken noch(?) nicht portiert wurden. Aber unter RISC OS gibt es mit ArcEm, ArchiEmu und ADFFS ja sowieso reichlich Auswahl zum Zwecke der Retro-Archimedes-Emulation.

Jedenfalls soll die CPU- und MEMC-Emulation nun deutlich präziser sein, weshalb die feine Unterscheidung von MEMC1 und MEMC1a jetzt Sinn ergibt. ARM2 mit 8 MHz, ARM250 mit 12 MHz, ARM3 mit irgendwas zwischen 20 und 35 MHz (je nach konfigurierter Basismaschine ist die Auswahl beschränkt), dazu ein Turbo-RAM-Modus mit 16 MHz – alles ist möglich. Der direkte Floppy-Zugriff wurde auch neu implementiert.

Auch videotechnisch sind einige Optionen dazugekommen, Direct3D und OpenGL kann nun als Methode ausgewählt werden, was letztlich der SDL2-Basis zu verdanken ist. Aber auch Software-Rendering ist weiterhin möglich.

Noch eine gute Nachricht: das sich öfter etwas merkwürdig verhaltende ArculFS als native Zugriffsmöglichkeit auf das Host-Dateisystem wurde kurzerhand durch HostFS von RPCEmu ersetzt. Eine gute Entscheidung.

Und zum guten Schluss: es gibt nun Floppy-Geräusche!

Sowohl die Windows- als auch die Linux-Version gibt es direkt zum Download, Sourcecode ist mit im Archiv. Also, downloaden und experimentieren.

MIST Archimedes-Core jetzt mit IDE

MIST und MISTer, die beiden genialen Open-Source-FPGA-Plattformen zur Emulation bzw. Simulation älterer Computer, Spielkonsolen und Arcade-Automaten waren schon mehrfach hier und in meinem IT-Blog Thema. Seit 2015 experimentiere ich mit dem MIST und dort vor allem mit dem Archimedes-Core.

Jetzt hat dank Slingshot aka gyurco (Usernamen aus dem Atari-Forum bzw. von GitHub) der Archimedes-Core einen großen Schritt nach vorne gemacht. Es ist jetzt ein Risc Developments IDE-Podule integriert, so dass man mit von den Emulatoren bekannten Festplattenimages (typischerweise mit der .hdf-Extension) arbeiten kann – gegenüber der bisherigen Floppy-Images-Only-Betriebsweise ein riesiger Schritt nach vorne.

Der Core kann auch ein CMOS.RAM von der MIST-SD-Karte laden, leider aber geänderte Settings noch nicht speichern.

Zur Feier des Tages habe ich ein entsprechendes Image zusammengebaut und zur Verfügung gestellt. Es basiert auf dem RISC OS 3.1-UniBoot aus den letzten Acorn-Tagen inklusive aller Standardanwendungen wie ChangeFSI oder Printers, zusätzlich angereichert um aktualisierte Toolbox-Module, den lebensnotwendigen Utilities wie SparkPlug, die Read-Only-Version von SparkFS und PackDir. Und dazu noch drei der inzwischen freigegebenen Spieleklassikern: Burn’Out, Elite und Star Fighter 3000. Ersteres und letzteres zeigen allerdings, dass noch etwas Feintuning am ARM-Core notwendig ist, um hier adäquate Performance für diese Spiele bereitzustellen.

Ich gedenke, das Image noch weiter anzureichern mit lizenztechnisch unproblematischen Dingen – GCC, Template-Editoren, Zap und StrongEd, DrawPlus, Ovation, Impression Style (vor kurzem kostenlos freigegeben), Pipedream sowie ein paar der essentiellen Tools, an die ich mich schon gar nicht mehr erinnere – da muss ich mal wieder den FTP-Server der Uni Stuttgart konsultieren sowie mein altes A3000-Image. Der Test von ADFFS steht noch aus, jetzt wo nicht mehr ADFS-Floppy das einzige unterstützte Medium ist gibt es da durchaus Hoffnung, und das würde bezüglich der möglichen Retro-Experience die Sache stark vereinfachen.

Für die Detaildiskussion kann man alles im Atari-Forum (quasi das offizielle MIST-Forum, weil das MIST bekanntlich mit dem Atari-ST-Core geboren wurde) nachlesen. Hier der Link zum GitHub-Repo des Archimedes-Core.

Natürlich gibt es weiterhin viele zusätzliche Wünsche an den Core – schnellere CPU (der verwendete Amber-ARM-Core hat eigentlich einen Cache a la ARM3 intus, aufgrund von Zuverlässigkeitsproblemen ist der aber derzeit deaktiviert), Quad-MEMC-Emulation für bis zu 16 MiB RAM, Anbindung des MIST-Scandoublers um auch auf VGA-Monitoren die 15 kHz-Modes ohne Letterboxing und RAM-bandbreitenfressende Bildwiederholrate verwenden zu können, und natürlich das Schreiben der CMOS-Values. Direkte Unterstützung der zwei anderen Disketten-Image-Formaten APD und JFD wäre super. FPA10-Emulation wäre wohl eher aus der Kategorie “weil man es kann”, bekanntlich konnte man Floating-Point-intensive Software mit der Lupe suchen. Endgültig Kür wäre dann Netzwerkunterstützung, das wäre dann aber eher der Bereich des MISTer, für den der aktuelle Core aber noch nicht portiert wurde. Und wie wäre es mit Econet?

RPCEmu 0.9.2 ist da – mit vereinfachter Netzwerkunterstützung!

Gestern wurde die neue Version von RPCEmu veröffentlicht, namentlich 0.9.2. Aus meiner Sicht als Windows-Benutzer ein riesiger Fortschritt.

Wie schon in meinem Artikel zu Version 0.9.1 angekündigt und sehnlichst erhofft, ist die Hauptneuigkeit ein Modus zur vereinfachten Netzwerkanbindung zur Host-Maschine. Bisher war das – zumindest unter Windows – eine sehr komplexe bis fehlerträchtige Angelegenheit, wo man von Hand nach der Installation einer bestimmten Version von OpenVPN (bzw. dessen TAP-Treiber) eine Netzwerk-Bridge im Windows anlegen musste. Die dann manchmal verschwand, manchmal auch das restliche Netzwerken von Windows beeinflusste, und generell sehr unpopulär war. Unter Linux war das Tunneling, das eigentlich einfacher sein sollte, seit neuestem faktisch unmöglich weil die Root-Elevation nicht mehr korrekt mit Qt funktionierte. Ein sehr unbefriedigender Zustand.

Jetzt ist alles neu und besser und hört auf den Namen “NAT networking”. Noch immer nicht ganz so problemlos und elegant integriert wie bei V-RPC, aber deutlich einfacher als vorher. Aber ein wichtiger Hinweis: man sollte nicht “wie gewohnt” das RISC OS-Netzwerk konfigurieren (wie ich es zunächst erfolglos versucht habe), da es sich tatsächlich um echte NAT handelt – intern bekommt das emulierte RISC OS also eine eigene IP-Adresse, die immer 10.10.10.10 ist, und RPCEmu faked drumrum einen Router (10.10.10.2) und einen DNS-Server (10.10.10.3) dazu, und die Host-Maschine bekommt im Prinzip nichts davon mit. Also unbedingt die (sehr gute) Anleitung lesen. Hat man ein RISC OS, das DHCP unterstützt (also RISC OS 4.29 aka “Select 1” aufwärts), ist es wirklich sehr einfach.

Wichtige Einschränkungen: ping funktioniert nicht, ShareFS funktioniert nicht (weil nicht auf routebarem IP basierend), und die RISC OS-Maschine ist von außerhalb z.B. als Server nicht ansprechbar, weil kein Port-Forwarding implementiert ist. Die Abwesenheit von ShareFS ist natürlich bitter, weil oft die mit Abstand einfachste Möglichkeit, zwischen RISC OS-Rechnern Dateien zu sharen. Aber es braucht ja noch Luft für die 0.9.3.

Eine kleine Verbesserung wartet im Bereich “Diskettenlaufwerk” – hier kann jetzt neben dem bekannten .adf auch .img, also gewöhnliche DOS-Images, als virtuelles Diskettenlaufwerk gemountet werden.

Ein kleiner Wermutstropfen ist die Tatsache, dass aufgrund der verwendeten neuen Qt-Version nun nur noch Windows ab Version 7 aufwärts offiziell unterstützt wird. Für Retro-Zwecke leicht suboptimal, weil die PCs, die noch eine “echte” Floppy intus haben (und damit Filecore-formatierte Disketten vernünftig ansprechen können), oft unter Windows XP laufen. Aber es gibt ja Alternativen (wenn schon Retro, dann Arculator oder VA5000).

Erste Anzeichen für GCC 8.2.0

Bekanntlich ist die neueste für RISC OS verfügbare GCC-Version die 4.7.4. So alt, so gut. Normalerweise ist das auch kein größeres Problem, RISC OS ist ja eher so retro und verfolgt nicht gerade den Ansatz, alles was nicht bei drei auf den Bäumen ist aus der Linux-Ecke zu portieren. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Ansätze von RISC OS und Linux macht das sowieso nur Ärger und Aufwand (vom Dateisystem bis zu so profanen Dingen wie Forken neuer Prozesse), und das Resultat ist oft auch gerade performancetechnisch unbefriedigend. Aber gerade bei C++ ist die Zeit nicht stehen geblieben, und da wäre ein aktueller Compiler schon von Vorteil. Ganz zu schweigen von neuen hippen Sprachen wie D oder Go, die von neuen GCC-Versionen unterstützt werden.

Ich vermute aufgrund der beteiligten Personen, dass die aktuellen Browser-Projekte (WebKit-Portierung und OWB-WebKit-Portierung) aufgrund der C++-Problematik nun Bemühungen getriggert haben, eine aktuellere GCC-Version an den Start zu bringen. Lee Noar, seines Zeichens Mastermind hinter dem RISC OS-ELF-Support, hat aktuell im riscos.info-GCCSDK-Repo eine ganze Menge Änderungen einfließen lassen, die auf eine baldige Verfügbarkeit von GCC 8.2.0 für unser aller Lieblingsbetriebssystem hoffen lassen. Hier die Details. Wie immer erst die GCCSDK-Version zum Crosscompile, dann hoffentlich auch eine native Version.

Was sind die Fortschritte zwischen 4.7.x und 8.x.x? Für eine Einschätzung des Versionssprunges ist zunächst wichtig zu wissen, dass das GCC-Projekt irgendwann mal das System der Versionsvergabe umgestellt hat. Früher wurde nur alle Schaltjahre mal die Major-Version erhöht – 2.x erblickte 1992 das Licht der Welt (die gängigen Versionen für RISC OS waren 2.3.3, 2.4.5, 2.7.2 und 2.95), 3.x dann ab 2001, 4.x ab 2005, und ab 5.x (2015) gab es dann die Major-Versionen in schnellerer Folge, ungefähr jährlich. Von 4.7.x ist es also nicht ganz so weit bis zur aktuellsten 9.x-Version wie es zunächst den Anschein haben könnte. Auch C++ hat bei der Standardisierung von neuen Versionen ja einen Zahn zugelegt, da passt beides recht gut zusammen. Beispielsweise die Variante C++11 wurde experimentell seit GCC 4.8 unterstützt, GCC 5.x enthielt erste Unterstützung für C++14, GCC 6.x hatte dann C++14 schon als Default und enthielt erste Features von C++17. GCC 8.x beginnt schon mit Draft-Features aus C++2X, das vermutlich 2020 als Standard C++20 verabschiedet werden wird.

Also: Daumen drücken, dass das RISC OS-GCC-Ein-Mann-Team bald Erfolge vermelden kann. Eine aktuelle C++-Toolchain wird immer gebraucht. Wenn jetzt noch jemand sich an LLVM und Clang versuchen würde…und dem aktuellen GCC wieder die Erzeugung von ARMv2-Code nahebringen könnte…aber wer mal das ARM-Backend des GCC angeschaut hat, das ist eine 30000-Zeilen-Codewüste…

DoReCo Party #11 – Ein Rückblick

Vergangenes Wochenende fand – unter überraschend großer Beteiligung diverser RISC OS-Nutzer – die DoReCo-Party #11 statt. Drei Tage Retro-Spaß, Freitag bis Sonntag. Mit Aufbau Freitag und Abbau Sonntag, also Samstag als Hauptkampftag. Und mitten im Nirgendwo mit dem schönen Ortsnamen “Anröchte-Altenmellrich” in der dortigen Schützenhalle. Es waren also keine externen Ablenkungen zu befürchten.

Michael Hönsch hatte die ehrenvolle Idee, das schon länger ins Auge gefasste RISC OS-Bundestreffen (mit allen noch aktiven RISC OS-Nutzern in Deutschland, also einer hohen einstelligen Zahl) dort abzuhalten – quasi die Party in der Party – und übernahm die organisatorischen Details wie Tische und Reservierung, und Herbert zur Nedden schlug vor das gleich mit dem GAG-Treffen 2019 in einen Topf zu werfen. Und so geschah es.

Typischerweise standen in der Vergangenheit die GAG-Treffen mehr im Zeichen neuer Hard- und Software und der jeweils aktuellsten Version von RISC OS. Diesmal hatte ich mir vorgenommen, passend zum Retro-Thema unserer Gastgeber (ähnlich wie damals bei der Classic Computing 2016 zu Nordhorn), eher eine Mischung aus alten und neuen Geräten an den Start zu bringen. Am Ende war es ein A5000, der per 10b2-Ethernet über Access mit einem Raspberry Pi B+ (RISC OS 5.26) und einem Core i3-Windows 7-Netbook (V-RPC Adjust, also RISC OS 4.39) redete. Dazu noch ein MISTer mit dem Archimedes-Core, der “Zarch” als Daueraufgabe bekam. Dazu zwei Monitore, und schon war der Tisch voll.

Thomas war mit an Bord mit KlappPi (einem Laptop-Eigenbau auf Raspberry Pi-Basis), BiKo (BeagleBoard im Koffer, akkubetrieben) und einer RiscStation R7500 mit der seltenen ISA-USB-Karte. Also im Prinzip drei Einzelstücke. Und Michael hatte aus dem Bereich “aktuelle RISC OS 5-Systeme” seinen ARMX6 dabei, nach wie vor eines der besten und ausgewogensten Geräte aus der neuen RISC OS-Rechner-Generation.

Einige aktuelle und ehemalige RISC OS-Benutzer kamen ebenfalls zu Besuch. Vor allem der Risc PC ist vielen noch in guter Erinnerung. Impression, TechWriter und Artworks kennen und lieben die meisten, dazu die nostalgische Verklärtheit bei der Erwähnung der PC-Karten-Lösung. Alle sind sich immer noch einig, dass RISC OS – bei all den bekannten Schwächen – was die grafische Oberfläche angeht nach wie vor der Benchmark ist. Mit Thomas L., den ich aus dem VzEkC-Acorn-Forum kannte, unterhielt ich mich wirklich lange über unsere diverse RISC OS-Hardware und die Zicken, die die alte Hardware ab und an macht.

Die erste Aufgabe: Mark (mit dem ich vorab schon Mailkontakt hatte wegen einer Acorn-Maus), ein Stammgast auf der DoReCo-Party, hatte seinen A3010 mitgebracht und wollte ein Parallelport-ZIP-Laufwerk (100 MB) anschließen. Mit Bootdiskette und so. Also eine Übung in Datentransfer zwischen alten und neuen Systemen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad, denn mein A5000 hat unglücklicherweise einen Batterieschaden der den internen Floppy- und IDE-Controller bzw. die Buchsen und/oder was drumrum gekillt hat, und so war der direkte Weg – schreiben einer Diskette – verbaut. Zusätzliche Hürde: der A3010 hatte nur 2 MiB RAM, womit viele Ideen, die die RAM-Disc als Zwischenspeicher nutzen, direkt flach fallen. Der Plan: einen Weg austüfteln, um aus dem Internet heruntergeladene .adf- und .apd- und .jfd-Floppy-Images auf dem A3010 lauffähig zu bekommen. Nicht trivial, weil die RAM-Knappheit die Nutzung des offensichtlichen Wegs – auf einem PC auf ein DOS-ZIP-Medium die Disc-Images zu packen und dann auf dem A3010 mittels ADFFS zur Verfügung zu stellen – leider verunmöglichte. Da musste ich erst mal drüber schlafen. Inzwischen habe ich mehrere Varianten ausgetüftelt, die allerdings eher komplex erscheinen – ich werde demnächst einen eigenen Artikel dazu veröffentlichen. An alle anderen der Ratschlag: alte RISC OS-Rechner außer in Sonderfällen immer gleich mit 4 MiB RAM kaufen. Das erspart eine Menge Probleme, selbst wenn man auf den ersten Blick “nur spielen” will.

Zwischenzeitlich diskutierte ich mit dem Eigner über seine eigentliche Leidenschaft, den guten alten Commodore Plus/4, der es seinerzeit bekanntlich gegen den C64 nicht geschafft hat, sich aber in Retro-Kreisen steigender Beliebtheit erfreut (man schaue sich mal das aktuelle Spiel “Alpharay” an, ein R-Type-artiger Shooter – sehr beeindruckend). Überraschend, an wie viele Details von früher ich mich erinnerte, ohne jemals einen C16 oder C116 oder Plus/4 besessen zu haben – von den 121 Farben über den TED, BASIC V3.5 bis zur 1551. Und natürlich die nur zu sich selbst kompatiblen Spezialjoystick-Ports. Ein schrulliges Gerät, mit dem sich Acorn-Fans natürlich eher identifizieren können als mit einem erfolgreichen Produkt wie dem C64.

Beim A3010 zeigte sich auch ein momentan nicht erklärbares Phänomen: das von RetroBargains aktuell verkaufte Busmaus-USB-Adapterchen (“ArcMouse” – man beachte: die daran angeschlossene USB-Maus muss einen PS/2-Modus besitzen!) verweigerte seinen Dienst am A3010, funktionierte aber ganz prima an meinem A5000 bzw. dessen Tastatur. Sehr dubios. Kurz entschlossen tauschte ich einen meiner PS2MouseMini-Adapter inklusive klassischer Logitech-3-Tasten-ohne-Mausrad-Maus gegen den ArcMouse-Adapter nebst optischer Microsoft-USB-Maus. So kann ich demnächst mal prüfen, was dieser Adapter an anderen Gerätschaften wie einer Ur-A310-Tastatur, einem A3000 oder einem Risc PC macht. Es wäre mir nicht bekannt, dass es bei den Mäusen in irgendeiner Weise Inkompatibilitäten zwischen den verschiedenen Acorn-Rechnern gab.

Das andere Problem mit diesem A3010: zuerst war er über den HF-Ausgang mit dem Monitor verbunden, der gleichzeitig einen TV-Tuner hatte. Aber die so erzielbare Qualität ist natürlich unterirdisch. Über dessen VGA-Eingang gab es aber nix zu sehen. Dubios. Mit meinem BenQ-TFT vom A5000 funktionierte hingegen der A3010 wunderprächtig, der Videoausgang war also einwandfrei. Es stellte sich heraus: es lag am Kabel. Tausch des VGA-Kabels, und auch der Monitor des Besitzers funktionierte.

Die zweite Aufgabe: ein etwas indisponierter Risc PC, den einer der anderen Teilnehmer (Tom Phobos) mitgebracht hatte und der beim Hochfahren nur die berühmte Diskette anzeigte (für Uneingeweihte: man muss dann eine Boot-Diskette mit dem konfigurierten Territory einlegen, damit es weiter geht) – typisches Anzeichen für entweder kaputtes CMOS oder kaputtes Bootmedium. Kurze Inspektion – das Board war in sehr gutem Zustand, der Akku wurde rechtzeitig entfernt und durch einen separaten AAA-Batteriehalter ersetzt. Zwei Podules waren drin, ein MCS Connect32 SCSI-Controller und ein Simtec/STD Unipod. Eine klassische Ein-Slice-Maschine mit dem schwächeren Netzteil (70W). Als 5,25″-Laufwerk war ein SCSI-CD-Brenner eingebaut. Einen CMOS-Reset später, und die Kiste bootete sauber durch, allerdings mit mehreren Disc Error 21-Meldungen, was typischerweise auf eine Festplatte in den letzten Zügen hinweist. Es stellte sich dann aber zunächst heraus, dass der Stützakku hinüber war und die CMOS-Werte nicht behalten wurden. Kurz ausgetauscht gegen eine Eneloop Pro aus meinem Bestand – lief. Und dann begann die Jagd nach den rätselhaften Phänomenen. Wo kam der Disc Error 21 her? Erst mal die Maschine runtergestrippt und nur mit der Festplatte selbst betrieben – also ohne Podules und ohne Backplane und ohne Floppy. Ergebnis: lief einwandfrei, keine Fehler mehr. Aha. Also erstmal optimistisch wieder alles zusammengebaut, und der Fehler war wieder da. Hmmm. CD-Brenner abgeklemmt und den Connect32 rausgeworfen: Fehler ist weg. Hmmmmmm. Also mit dem Besitzer geredet und den Plan gefasst: wenn schon ein IDE-Unipod drinsteckt, und ansonsten keine SCSI-Geräte gebraucht werden, am besten ein IDE-CD-ROM einbauen. Ein paar Minuten später lagen zwei zur Auswahl auf dem Tisch, ich entschied mich für das mit dem niedrigeren Stromverbrauch – denn das schwächere Risc PC-Netzteil bringt auf der 12V-Schiene nur 2,05A, dann sind Laufwerke die da mal locker 2A ziehen nicht zu gebrauchen. Durch eine großzügige Spende eines nichtessentiellen IDE-Kabels aus meinem A5000 das Laufwerk an das Unipod angeschlossen und…Disc Error 21. Sollte es doch am Netzteil liegen? Schnell das IDE-CD-ROM mit einem externen Netzteil versorgt (und dabei festgestellt, dass der Mechanismus der Laufwerkschublade zu allem Überfluss auch nicht mehr funktionierte) und…immer noch Disc Error 21. So langsam wurde es rätselhaft. Das IDE-CD-ROM vom Flachbandkabel entfernt – immer noch Disc Error 21. Das Flachbandkabel aus dem Unipod gezogen – jetzt lief es wieder. Was??? Gegenprobe mit dem Connect32. SCSI-Kabel steckt drin -> Disc Error 21. SCSI-Kabel steckt nicht drin -> alles lief. Nun gut. Manche Phänomene muss man wohl einfach hinnehmen. Ich habe keine Vorstellung, was hier der Grund sein könnte, schließlich hing die IDE-Platte mit den Fehlern ja im internen IDE – vielleicht hätte ein Wünschelrutengänger bei der Analyse helfen können? Wie dem auch sei, der Besitzer war leidlich glücklich mit der neuen Situation – ein einwandfrei laufender Risc PC, aber eben ohne CD-Laufwerk. Man kann sich Schlechteres vorstellen. Übrigens hatte dieser Risc PC ein äußerst seltsames VRAM intus, das ich so noch nicht gesehen habe – 2 MiB, und irgendwie “asymmetrisch” gebaut. Die linke Platinenhälfte war niedriger als die rechte, die Chips links waren waagrecht angeordnet und die Chips rechts senkrecht. Keine Ahnung, was für ein Spezialteil das war.

Am Samstag gab es einige Vorträge zu diversen Retro-Themen. Besonders interessant fand ich einen Vortrag von Slamy, der über seine Entwicklung eines Spiels namens “Tiny Little Slug” für den Amiga berichtete. Ein Jump’n’Run im weitesten Sinne (Held der Geschichte ist eine Schnecke, was mit “Springen” und “Rennen” nun normalerweise nicht direkt in Verbindung gebracht wird – hier mehr Infos zum Spiel), für einen Amiga 500 in der Basisausstattung. Was bedeutet: mehr als 512 KiB RAM stehen nicht zur Verfügung. Eine echte Herausforderung, zumal das Spiel komplett in C bzw. C++ per Crosscompile mit GCC unter x86-Linux entstehen sollte. Was mich später zu einem längeren Gespräch mit Slamy veranlasste, der allerlei interessante Details zu GCC, dem 68k-Backend, Bare-Metal-NDOS-Entwicklung, AmigaOS, MorphOS und einer Toolchain-Automatisierung namens Yocto zu erzählen wusste. Kurze Abschweifungen inklusive – zu USB-Floppycontrollern, CAN-Bus, FlexRay, ARM-Core-Varianten, aktuelle Entwicklungen in der Welt von C++, Ada und GNAT…sehr erfrischend und spannend. Mit vielen interessanten Einblicken vor allem in die Welt des Amiga, wo die “backward compatibility breaking changes” noch häufiger als unter RISC OS stattgefunden haben.

Ein C64-Fan stellte mir den aktuellen Stand der Dinge an dieser Front vor. Entsprechende Peripherie vorausgesetzt, kann man sich inzwischen über WLAN in Internet-Mailboxen “einwählen”. Auf dem C64 eine besondere Herausforderung, weil die Bildschirmauflösung für eine anständige 80-Zeichen-pro-Zeile-Darstellung nicht ausreicht. Jedenfalls gibt es hier eine aktive Retro-BBS-Szene, da lohnt sich mal ein genauerer Blick drauf. Ich habe ja eine FidoNet- und Mailbox-Vergangenheit, vielleicht mal den Kollegen Stefan Brück fragen, ob er noch ein Backup der ArcPool-Mailbox (damals in Wolfsburg beheimatet) hat. In der RISC OS-Welt ist meines Wissens die Arcade BBS die einzige Überlebende der glorreichen Mailbox-Zeit.

Interessant auch ein Acorn BBC Model B, den mir Markus (Fragg) zeigte, der am Tube-Port einen Raspberry Pi mit dem Pi-Tube-Kit (auch als “co-processor tube hat adapter” bekannt) von RetroClinic hängen hatte. Damit kann man alle damals erhältlichen Zweitprozessoren emulieren, vom Z80 über den 80286 bis zum original ARM-Entwicklungssystem. Und als Sonderbonus der direkte Zugriff auf den native ARM des Raspberry Pi. Was man damit anfangen kann? Keine Ahnung, aber cool, dass es geht! Die gängige Demo-Software dafür ist die Executive-Version von Elite, die den Turbo-6502-Coprozessor nutzt. Ansonsten ist die Softwareunterstützung dieser Wunderwerke eher sparsam. Die für Archimedes-Archäologen hochinteressanten verschiedenen Zwischenstände der Arthur- und ARX-Entwicklung aus der ARM-Frühzeit sind meines Wissens für immer verloren.

Und sonst? Das zentrale Event war die Versteigerung diverser Gerätschaften und anderen Retro-Dingen für den guten Zweck, einem Kinder-Hospiz. Großartige Gegenstände, inspirierend angepriesen von Hellcat. Den höchsten Einzelpreis erzielte nach meiner Erinnerung die handsignierte Debüt-CD von Chris Hülsbeck. Sehr cool fand ich ein Space-Invader-Mosaik aus 3,5″-Disketten. Großen Zuspruch fand auch ein holzfurniertes C64-Gehäuse, das ein Vereinsmitglied gebastelt hatte. Und zwischendurch beispielsweise der limitierte, goldene USB-Competition-Pro-Joystick oder auch das Spiel Top Gun auf Kassette für den C64. Das blieb im Gedächtnis. Zwei optische Highlights unter den Ausstellungsstücken will ich auch noch erwähnen: eine handgestrickte Abdeckung für den C64 (hier neben anderen Fotos auf Seite 3 zu finden) und ein beleuchteter Sinclair Spectrum in Transparenz-Optik, wobei die Beleuchtung das Spectrum-Regenbogenlogo simulierte (vermutlich dieses Gehäuse). Sehr cool. Die Kreativität im Retro-Bereich ist unverändert hoch.

Die gesamte Atmosphäre der Veranstaltung fand ich sehr angenehm, auch wenn in meinem fortgeschrittenen Alter die ständige Hintergrundbedröhnung durch Musik und den Versteigerungsevent etwas verstärkten Einsatz der Stimmbänder und höchste Konzentration beim Zuhören erforderte. Allerdings muss ich sagen, dass die Playlist wirklich exzellent zusammengestellt war, so dass nicht die Musik selbst störend war, sondern nur ab und an die Lautstärke. Mein Kompliment. Auch hinsichtlich der Organisation der Veranstaltung gibt es nichts zu mosern.

Außerdem stelle ich fest, dass ich es sehr genieße, mal in einer Zusammenkunft vieler Menschen NICHT der exotische Nerd zu sein. Sondern einer unter vielen. Wo findet man schon 100 oder mehr Leute auf einem Haufen, die bei der Ankündigung der Versteigerung einer Chris-Hülsbeck-CD nicht erstmal fragen “Häh? Wer soll das denn sein?” Mir kam die legendäre Szene aus dem Film “Voll normaaal” mit Tom Gerhardt in den Sinn: “Endlich normale Leute”.

Jedenfalls ist die DoReCo-Party auf der Liste der Events, bei denen man dabei sein sollte. Leider gibt es da reichlich Konkurrenz: das klassische GAG-Treffen, die Classic Computing, das Xzentrix…und es gibt eben viele konkurrierende Hobbys. Mal sehen, was 2020 ansteht.

Neue Testversion von Aemulor verfügbar

Korrektur 2019-09-24: die vormals hier stehenden Infos zum ARMBook von R-Comp waren falsch. Es basiert auf dem Pinebook, nicht auf dem Pinebook Pro wie vormals fälschlicherweise hier geschrieben (vermutlich war der Wunsch Vater des Gedankens – eine sehr optimistische Interpretation der vorliegenden Informationen). Was wieder zeigt, dass auch knapp fünf Jahre nach diesem Blogeintrag die Problematik der Transparenz von Informationen weiterhin gegeben ist.

Adrian Lees, Entwickler von Aemulor (wer aus unverständlichen Gründen nicht weiß, was Aemulor ist und wozu es gut ist, kann es hier detailliert nachlesen), hat die Verfügbarkeit einer neuen Test- bzw. Entwicklungsversion verkündet. 2.51 ist die Versionsnummer, Download von hier.

Was ist neu? Eine der ungünstigen Nebenwirkungen von Aemulor war immer, dass nicht nur der Application Memory Slot (aka Wimpslot) für die emulierten 26bit-Anwendungen auf die unter RISC OS 4 und früher üblichen 28 MiB RAM eingeschränkt wurde, sondern auch der für alle anderen Anwendungen. Die neue Entwicklungsversion schafft hier nun etwas mehr Platz als früher: durch Anpassungen der Memory Map stehen nun 52 MiB RAM im Wimpslot zur Verfügung. Diese Anpassung ist optional, man kann auch mit der alten Konfiguration arbeiten.

Für die nicht-so-RISC OS-Erfahrenen: das 28 MiB-Limit kommt aus der 26bit-Zeit, also alles bis einschließlich RISC OS 4, als die CPU wie zu Zeiten des ARM2 1986 den Programmcode nur innerhalb der ersten 64 MiB ausführen konnte – weil der Program-Counter, also das Register (R15 übrigens), das die derzeitige Ausführungsadresse enthält, nur die unteren 26bit für die Adresse verwendete. Und dann hat Acorn zur Vereinfachung der restlichen Hardware (damit die MMU genannt “MEMC” eben nur diese adressieren können muss) kurzerhand diese 64 MiB in gewisse Blöcke aufgeteilt wie die RMA, das ROM, den System-Heap und IO-Bereiche. Hier ist die vollständige Übersicht zu sehen. Wenn man so will, ganz ähnlich wie die DOS-Memory-Map mit ihrem 640 KiByte-Problem.

Und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: das 28 MiB-Limit bedeutet nicht, dass eine Anwendung nur 28 MiB nutzen kann. Es bedeutet nur, dass der ausgeführte Programmcode maximal 28 MiB groß sein darf – Daten können auch (seit RISC OS 3.5 und dem ARM6xx – seither können nämlich die vollen 32 Bit adressiert werden) in den sogenannten “dynamic areas” liegen. Die Erhöhung von 28 MiB auf 52 MiB ist also bei den RISC OS-typischen eher kleinen Programmen tatsächlich nur für spezielle Anwendungen interessant. Dort aber potenziell lebensrettend.

Und wie läuft er nun, der neue Aemulor? Kann ich noch nicht sagen. Bin mitten in den Vorbereitungen für die DoReCo-Party kommendes Wochenende, da ist für die Kür erst Zeit, wenn die Pflicht erledigt ist. Interessant auf jeden Fall, dass diese Aemulor-Version auf dem brandneuen ARMBook von R-Comp (ein Pinebook mit RISC OS) schon getestet wurde. Im Pinebook dreht ein Allwinner A64, also grob gesagt Cortex-A53 mit Mali-400, coretechnisch also identisch mit dem Raspberry Pi 3(+). Solange also “bekannte” Cores am Start sind, scheint die Produktion von kompatiblen Aemulor-Versionen für Adrian keine besondere Herausforderung zu sein.

Aktuelle Retro-Projekte

Nachdem ich einige alte Acorn-Rechner aus der RISC OS-Frühzeit mein Eigen nenne – vom A310 über den A3000 bis zum A5000 – interessiere ich mich auch für aktuelle Projekte rund um die Retro-Schätzchen. Vor allem die Verbindung der alten Welt mit aktueller Hardware interessiert mich immer – ich bin weniger der Typ für “100% Retro”, sondern will einfach rund laufende Hardware betreiben – ob es Ende der 80er schon Flash-Speicher oder optische Mäuse gab, ist mir eigentlich wurscht, zumal die Originalhardware inzwischen empfindlich teuer ist. Zentrale Informationsstelle ist für solche Projekte das Stardot-Forum Abteilung 32bit. Ich will einige davon kurz vorstellen.

Wie bekannt sein dürfte, ist das Thema “Massenspeicher” ein ständiges Ärgernis. Frühe Rechner wie der A310 oder der A3000 und auch der weit verbreitete A3010 hatten weder das damals noch verbreitete MFM/ST506 an Bord (das gab’s nur in der A4xx-Familie) noch das brandneue IDE und auch nicht die damals gängige Profi-Variante SCSI. Und die späteren Rechner mit IDE on board bis inklusive RiscPC und A7000(+) scheitern häufig an mangelhafter Kompatibilität mit heute wünschenswerten Lösungen wie SD-Cards im IDE-Adapter. Also braucht man ein IDE- oder SCSI-(Mini-)Podule. Nun sind die aber gebraucht eher rar und teuer, und im Falle von SCSI wird es durch das dann sinnvollerweise benötigte SCSI2SD noch teurer.

IanS aus dem Stardot-Forum hat deshalb ein einfaches IDE-Interface gebaut (nach dem Vorbild der alten ICS-ideA-Podules von Ian Copestake) und bietet regelmäßig sowohl Standard-Podules (alle A-Rechner außer A3010, A3020 und A4000) als auch Mini-Podules (A3000, A3010, A3020, A4000) oft inklusive IDE-Flash-Modul an. Als Software kommt John Kortinks ZIDEFS zum Einsatz, das insgesamt bezüglich Laufwerkskompatibilität und Features einen guten Ruf hat. CJE Micro’s bietet die Dinger auch an, allerdings zu den üblichen Mondpreisen.

In die gleiche Kerbe schlägt das Projekt von Dave Hitchins (daveejhitchins im Stardot-Forum), der die alten IDE-Podules von Baildon Electronics (Dave Prosser und Dave Hitchins, verkauft als Arcin und Blitz von APDL sowie als Awesome von MicroDigital) erneut in Kleinserie bauen (lassen) will. “Baildon Electronics IDE Interfaces – Replication” heißt der Thread auf Stardot zum 16bit-Podule (Arcin), und hier der Nachfolgethread zum Arcin32/Blitz/Awesome. Beide Projekte scheinen kurz vor der Fertigstellung zu sein.

Ein ambitioniertes Projekt von Stardot-User myelin hört auf den Namen “Arcflash” – hier der Thread, hier die Hardware und Software auf GitHub. Dahinter verbirgt sich eine Flash-ROM-Lösung für alle Acorn-Rechner vom A310 bis zum Risc PC. Was sich einfacher anhört als es ist, weil die Konfiguration und Position der ROM-Chips eher uneinheitlich sind – zwei oder vier Chips, unterschiedliche Sockelabstände – schwer, da eine universelle Lösung zu finden. Außerdem soll es ja “in situ” neu flashbar sein, und man will einen eigenen Bootloader haben, um beim Booten auswählen zu können, welche RISC OS-Variante man denn haben will. Bisheriger Stand: das Flashen soll über USB funktionieren, 16 MiB Flash-ROM sollen aufs Board, und der Bootloader ist wohl auch schon recht weit fortgeschritten. Zusätzlich wird experimentiert, welche Acorn-Rechner (außer Risc PC und A7000, die das von Haus aus beherrschen) mit 4 MiB ROM statt den üblichen 2 MiB umgehen können, ggf. mit einem kleinen “Patch” des Mainboards. Das Projekt scheint kurz vor der Fertigstellung zu sein.

Sowohl für RiscPC/A7000 als auch für die alten Archimedes-Kisten ist Arcflash hochinteressant. Ironischerweise hilft es auch gegen das Massenspeicherproblem, weil damit sehr einfach ein gepatchtes ADFS ins ROM könnte, das die Kompatibilität zu IDE-Geräten drastisch verbessert. Und bei den alten Rechnern kann man problemlos zwischen Arthur, RISC OS 2 und RISC OS 3.1 umschalten, sowie gegebenenfalls ein aktualisiertes RISC OS 3.2 bauen mit Wünsch-Dir-Was-Komponenten wie Nested WIMP, Toolbox-Modulen und TCPIP-Stack nebst Netzwerkkartentreiber – alles das, was beim Softload auf den Rechnern mit typischerweise maximal 4 MiB RAM richtig schmerzt. Allerdings ist es traditionell eher schwierig, ein funktionierendes ROM-Image zu bauen, umso wichtiger wäre eine Hardware, die in den eher empfindlichen Sockeln verbleiben kann während man am Entwickeln ist.

Und noch ein Projekt: eins der üblichen Probleme für alle Rechner vor dem A7000 ist das Mausproblem, vor dem Risc PC auch das Maus- und Tastaturproblem. Denn vor PS/2 gab es Acorn-proprietär (Tastatur) und Busmaus (eher selten im Rest der IT-Welt). Wäre es nicht super, wenn man – ohne absurde Mengen Geld in ein USB-Podule zu stecken oder einen der seltenen und teuren PS/2-Adapter zu ergattern – einfach so eine x-beliebige USB-Maus anschließen könnte? Genau das will Stardot-User cmj6502 per Podule lösen. Scheint aber eher noch in einem frühen Stadium zu stecken – Hardware steht, aber die Software noch nicht.

Zuletzt noch ein interessantes Projekt für die Hardware-Reparier-Front: zu Acorn-Zeiten gab es ein wirklich seltenes Stück Hardware namens “POST box”. Standardmäßig haben die Acorn-Rechner einen Selbsttest, und wenn der fehlschlägt, blinkt die Floppy-Lampe ein Binärmuster um den Zustand dieses Selbsttests zu signalisieren. Es werden aber viel mehr Informationen während des Selbsttests vor dem eigentlichen Bootprozess generiert, und eben diese sind über den POST-Port verfügbar. Es sind Bemühungen im Gange, diese POST Box nun nachzubauen auf Basis eines kleinen preiswerten Microcontroller-Boards. Hier das zugehörige Projekt auf GitHub.

Wie man sieht: die Retro-Szene ist auch im RISC OS-Bereich aktiver denn je. Es bleibt spannend.

Der RISC OS-Quellcode lebt jetzt in Git

RISC OS hat bekanntlich eine lange Historie. Und alle Softwareprojekte mit Historie haben normalerweise auch eine Historie was die Quellcodeverwaltung angeht. So auch RISC OS. Ursprünglich mit RCS unterwegs (quasi der Urvater der Unix-VCS-Welt nach SCCS, das auf System/370 entwickelt wurde) und dann zum natürlichen RCS-Nachfolger CVS gewechselt, ist man jetzt den heutzutage quasi unvermeidlichen Weg weiter zu Git gegangen. Als Schnittstelle zur Außenwelt wird GitLab verwendet. GitLab hat natürlich noch ein paar andere Features für all das, was man heute unter “DevOps” zusammenfasst, was davon Stand heute von RISC OS Open Ltd. verwendet wird entzieht sich meiner Kenntnis. Die Nightly Builds der RISC OS-ROM-Images ist ja ein eher komplexer Prozess, da RISC OS weiterhin nur mit der Norcroft-Toolchain baubar ist zuzüglich ein paar exotischer nur nativ unter RISC OS laufender Tools. Wenn ich mich recht erinnere ist deshalb eine Spezialversion von ArcEm noch mit am Start, um den kompletten Build unter unixoiden Plattformen überhaupt zu ermöglichen. Inwiefern das zur vorgedachten GitLab-Build-Pipeline passt – keine Ahnung. Stand heute wird das CI/CD-Zeugs von GitLab jedenfalls nicht (öffentlich einsehbar) verwendet.

Was mich daran erinnert, dass es wirklich mal ein schönes Projekt wäre, RISC OS komplett mit GCC und asasm baubar zu machen.

Die von CVS gewohnte, übersichtliche Historie der Änderungen über das Webinterface ist nun leider nicht mehr da, die Git-Struktur scheint etwas komplexer zu sein, mit dem selten genutzten Git-Feature “Submodules”. Vermutlich bräuchte es da etwas Code, der die Aufbereitung für Rails (die technische Plattform der RISC OS Open-Webpräsenz) übernimmt. Allerdings ist es schon viel besser geworden – also nicht vergessen: regelmäßig hier nachschauen was es Neues im RISC OS-Code gibt. Man kann direkt über das GitLab-Interface auch die akzeptierten Merge-Requests anschauen, das ist auch manchmal erhellend.

Und wie greift man nun von RISC OS aus auf Git zu? Jeffrey Lee hat dazu SimpleGit portiert.

Und noch was nebenbei, weil ich öfter Teil solcher Diskussionen war: “Veraltetes CVS” war eine der gerne genutzten Ausreden, warum man ja leider nix zu RISC OS beitragen könne. Vermutlich nach “die Castle-Lizenz ist nicht echtes Open Source” am öftesten gehört. Beides ist nun Geschichte. Nun bleibt noch “ich muss für das DDE bezahlen” – mal sehen, wann diese Ausrede auch Geschichte ist. Dann wird man sehen, dass es trotz bester Rahmenbedingungen nur sehr wenige Menschen gibt, die sich in der gebotenen Tiefe mit einem Randgruppenbetriebssystem in ihrer Freizeit befassen wollen.

In gespannter Erwartung: Raspberry Pi 4 ante portas

Update 2019-06-30: Ethernet-Anbindung korrigiert, USB3-Anbindung präzisiert, Cachegrößen nachgepflegt, USB-Strombegrenzung aus dem Datenblatt erwähnt, Dual-Head-Unklarheit bezüglich 4K@60Hz erwähnt.

Die Raspberry Pi Foundation hat mal wieder alle überrascht (und vorher auch reichlich Nebelkerzen geworfen, im Einklang mit Broadcom): der brandneue Raspberry Pi 4 ist ab sofort verfügbar, und er basiert weiterhin auf einem Broadcom-Chip. Nach dem RPi 3B+ wurde ja reichlich spekuliert, dass die Broadcom-Reihe nun ausgereizt sei und man möglicherweise sogar auf einen anderen SoC-Hersteller wechseln müsse. Pustekuchen.

Was steckt drin, vor allem im Unterschied zum 3B+? Die Kurzfassung: ein BCM2711 (Quad-Cortex A72@1,5 GHz), Gigabit Ethernet über einen schnellen internen Bus angebunden, USB3.0 über PCIe, Dual-Head mit je 4K@60Hz-Unterstützung (einzelne Quellen sprechen allerdings auch davon, dass im Dual-Head-Betrieb nur je 4K@30Hz möglich wären, eventuell ist das aber nur eine vorübergehende Treiberschwäche), und Modelvarianten mit 1, 2 oder 4 GiB RAM das zudem als LPDDR4-2400 ausgeführt ist. Und da man wegen der 2x microHDMI für Dual-Head-Unterstützung sowieso nicht mehr kompatibel zu den alten Gehäusen sein konnte, hat man die Stromversorgung nun auf USB Typ C umgestellt – endlich nicht mehr peilen, wie rum der microUSB-Stecker rein muss…warum man auch noch die Position von Ethernet und USB getauscht hat, erschließt sich hingegen nicht direkt, eventuell wegen der Positionierung der PoE-Pins.

Also: neues Netzteil (das offizielle Netzteil leistet 15W – durch 2x USB3 statt den bisherigen USB2 liegt allein der Stromverbrauch bei voller Auslastung durch angeschlossene USB-Geräte ja schon 800mA höher, weil USB3 900mA zusichert, gegenüber 500mA bei USB2 – irritierenderweise redet das vorläufige Datenblatt von einem Limit in Summe über alle 4 Buchsen von 1,1A – das ist so niedrig, dass ich einen Druckfehler vermute), neues Gehäuse, neue HDMI-Kabel sind angesagt. Die microHDMI-Buchsen liegen relativ nah beieinander, von einer Adapterlösung microHDMI-auf-Standard-HDMI würde ich nach erster Betrachtung eher abraten, das könnte platztechnisch eng werden.

Was kann man über die Performance sagen? Eigentlich nur Gutes. Obwohl die CPU taktmäßig nur einen kleinen Sprung gemacht hat, gilt der Cortex-A72 pro MHz als deutlich leistungsfähiger gegenüber dem vorher verwendeten Cortex-A53 im Pi 3. Grob sagt man dem Cortex-A53 etwa 2,3 DMIPS/MHz nach, dem Cortex-A72 hingegen 4,6 DMIPS/MHz. Erreicht wird das durch die üblichen Maßnahmen, die die x86-Welt seit Jahren vormacht: tiefere Pipeline, bessere branch prediction, ausgefuchsteres Out-Of-Order-Execution-Handling, mehr Parallelisierung beim instruction decoding. Und weil gleichzeitig ein Prozess-Shrink bei der Fertigung mit einfloss (28nm statt 40nm), soll der Stromverbrauch sich weiterhin in einem ähnlichen Rahmen wie bisher bewegen. Erste Messungen zeigen ähnlichen Stromverbrauch bei Volllast und etwas Höheren in Ruhe – welcher Anteil da auf die CPU entfällt, was auf den neuen Videocore VI und was auf den Rest vom Board – keiner weiß es im Moment.

Zu den CPU-Caches gibt es ebenfalls positive Details zu vermelden. Der Cortex-A72 hat 48 KiB instruction cache und 32 KiB data cache zu bieten auf der L1-Ebene, und 1 MiB L2-Cache – das ist deutlich mehr als der Cortex-A53 des RPi 3 B(+) zu bieten hatte (16 KiB I+16 KiB D-L1, 512 KiB L2). Die ersten Linux-Benchmarks zeigen einen Nettogewinn von 60-80%, was darauf hinweist, dass sowohl das schnellere RAM als auch die größeren Caches ausreichen, um die CPU-internen Fortschritte nicht über Gebühr auszubremsen.

Dadurch, dass nun das Gigabit-Ethernet endlich vom USB2 weg ist und an einen eigenen High-Speed-Bus direkt am SoC angedockt wurde, steigert sich der Netzwerkdurchsatz laut ersten Messungen nahe an das theoretische Maximum von 1 Gbit/s, während vorher eher so 300 MBit/s angesagt waren. Und vor allem kollidiert das nicht mehr mit dem USB-Massenspeicher – bisherige Pis hatten alles an einem einzigen USB-Kanal.

USB3 ist für heutige Massenspeicher wie schnelle SSDs natürlich auch ein gewaltiger Fortschritt, von theoretisch 480 MBit/s auf 4 GBit/s Durchsatz. Durch die Anbindung sowohl des USB2-Hosts und des USB3-Hosts über PCIe ist hier eine signifikante Performanceverbesserung drin. Mal sehen, was davon in der Praxis übrigbleibt, bei Konkurrenz-ARM-Boards gab es da öfter mal böse Überraschungen.

Das neue RAM-Maximum von 4 GiB ist vermutlich aus RISC OS-Sicht die unwichtigste Verbesserung – schon das eine GiB ist doch die meiste Zeit leer. Aber wer weiß, wenn es mal eine aktuelle Browser-Portierung gibt…ob RISC OS überhaupt so ohne weiteres mit den 4 GiB klarkommen wird, ist momentan noch unklar – bisher lag das Maximum bei 2 GiB. Der Preisaufschlag für 4 GiB statt 1 GiB liegt z.B. bei Reichelt Elektronik bei nicht ganz zu vernachlässigenden 21€.

Für RISC OS ebenfalls nicht so interessant, aber bei Einsatz als Mediacenter nützlich: die eingebauten Hardware-Decoder im neuen Videocore VI können nun H.265 in 4K@60Hz decodieren.

Und der Vollständigkeit halber: Bluetooth ist jetzt bei 5.0 angelangt gegenüber 4.2 beim Vorgängermodell. WLAN wie bisher – 802.11ac in der 2,4- oder 5-GHz-Variante.

Ich bin gespannt, wie die Praxis-Benchmarks unter der besonderen RISC OS-Situation aussehen werden. Es steht zu erwarten, dass die bisherigen Performancekönige Titanium und IGEPv5 zumindest CPU-technisch die Krone abgeben müssen, da deren Cortex-A15 typischerweise mit 3,5 DMIPS/MHz eingeordnet wird. Ebenso spannend, an welchen Stellen RISC OS das Gebotene wirklich ausnutzen kann – der TCPIP-Stack ist nicht bekannt für Top-Performance, mal sehen was da vom echten Gigabit übrig bleibt. USB3-Unterstützung gibt es im USB-Stack bisher noch gar nicht – umso wichtiger, dass das USB-Stack-Update-Bounty mal in die Gänge kommt. Bei Bluetooth und WLAN bleibt die Situation so traurig wie zuvor. Ob der Cortex-A72 ein paar Überraschungen bereithält, wie es beim Cortex-A53 bei einigen ARMv8-“undefined behaviour”-Dingen passiert ist, ist noch unbekannt.

Nicht unwichtig für uns RISC OSler: die Foundation sichert zu, dass der RPi 4 bis Januar 2026 “in production” bleiben wird. Wenn das mal keine guten Zukunftsaussichten sind. Denn es wird zunehmend unwahrscheinlich, dass es bei 32bit ARM-Geräten in der Zukunft noch große Sprünge geben wird, weil der Rest der Welt mit Riesenschritten zu AArch64 wechselt. Was aus RISC OS-Sicht im Prinzip einem Wechsel auf x86 oder AMD64 entspricht.

Außerhalb der RISC OS-Welt ist der RPi nun wieder ein ernstzunehmender Kandidat für allerhand Anwendungsfälle, die zuletzt eher zur Konkurrenz abgewandert sind – vom NAS übers Mediacenter bis zum Desktop-Ersatz ist der RPi 4 nun für alle Anwendungsfälle gerüstet. Denn entscheidende Performanceschwächen wurden allesamt behoben. Es bleibt spannend.

30 Jahre Acorn A3000

Vor 30 Jahren (genauer: im Mai 1989) kündigte Acorn die Verfügbarkeit des A3000 an. Im Prinzip ein abgespeckter Archimedes A310 im damals gängigen Tastaturgehäuse (auch One-Box-Design genannt) ähnlich der zeitgenössischen Homecomputer-Konkurrenz wie dem Amiga 500 oder dem Atari ST 520/1040. Gegenüber der doch recht preisintensiven Archimedes-Geräte war der angekündigte Preis von 649 britischen Pfund geradezu sensationell niedrig – gegenüber einem Amiga 500 allerdings immer noch ziemlich hoch. In Deutschland wurden angesichts des damaligen Pfundkurses nahezu unvermeidliche 2199 DM veranschlagt.

Aber es war ja kein schäbiger 16-bittiger 68000er, sondern ein “echter” Archimedes – ARM2, 8 MHz, 1 MiB RAM. Ein “reinrassiger 32bit-RISC-Computer”, der, wie sich später herausstellte, gar nicht so reinrassig war, sondern einen sparsamen 26bittigen Program Counter sein Eigen nannte, um gleich noch 6 Flag-Bits darin unterzubringen, vermutlich um die typischerweise kritischen Interrupt-Latenzzeiten möglichst niedrig zu halten. Später fiel das Acorn (oder genauer deren Nachfolgern und den treuen Usern) auf die Füße, weil es größere Handstände beim Sprung von 26bit auf 32bit erforderte und – nach dem StrongARM-Update – die zweite große RISC OS-Software-Krise auslöste, und zum RISC OS-Split in die 26bit-Welt (RISC OS 4 und SIX) und die 32bit-Welt (RISC OS 5) führte. Aber ich schweife ab.

Wie schaffte Acorn damals diesen Kampfpreis? Durch allerhand Entfernen überflüssiger bis als weniger wichtig betrachteter Features. Beispielsweise wurde die Erweiterungsfähigkeit des A3000 gegenüber A3xx/A4xx stark eingeschränkt – statt 4 Podules konnte nur noch eines betrieben werden, und zudem stand dort nur 5V statt wie zuvor auch +/-12V zur Verfügung. Überhaupt war das ganze Design eher stromsparend ausgelegt, das Netzteil lieferte sparsame 22W. Die Floppy war 5V only, man sparte sogar am Anschlusskabel: statt den vollen 34 Polen hatte das Flachbandkabel nur 32 davon. Der serielle Port war zwar als Buchse herausgeführt, aber die beiden entscheidenden Chips (65C51 und LT1133) glänzten durch Abwesenheit und mussten ggf. nachgerüstet werden. Um auch intern Erweiterungskarten zu unterstützen, erfand Acorn kurzerhand eine 8-bit-Version der eigentlich 16-bittigen Podules und nannte sie “Mini-Podules”. Nominell konnte man die 1 MiB RAM on board nur mit einem zusätzlichen MiB auf 2 MiB erweitern. Alle Chips bis auf die genannten für die serielle Schnittstelle, die vier ROMs und der Controller für die Tastatur (ein 8051 – Intel inside!) waren eingelötet, was spätere Upgrades z.B. des ARM2 auf den ARM3 doch sehr erschwerte, zumal im Tastaturgehäuse recht wenig Bauhöhe zur Verfügung stand. Nur der Slot für die Econet-Erweiterung – der war natürlich heilig und auch im A3000 zu finden.

Serienmäßig wurde der A3000 mit dem damals fast brandneuen RISC OS 2 ausgeliefert – nach dem anfänglichen Arthur-Desaster der originalen Archimedes-Reihe ein würdiges Betriebssystem, stabil, leistungsfähig, multitaskingfähig, schnell. Erst 1992 wurde es durch RISC OS 3.10 abgelöst, mit dem der A3000 selbstverständlich aufgerüstet werden konnte.

Anno 1990 gab es dann – ungewöhnlich für Acorn in der nach-8bitter-Zeit – eine vollständig eingedeutschte Version des A3000. Deutsche Tastatur (ohne die roten Funktionstasten, die für die damaligen Acorns beinahe identitätsstiftend waren und denen noch heute gehuldigt wird http://shop.elesar.co.uk/index.php?route=product/product&path=18_63&product_id=61), deutsche Handbücher, und einige der vorwiegend englischen Softwarehäuser brachten deutsche Versionen ihrer Programme heraus. Tatsächlich war das für mich – angesichts meiner heutigen Vorliebe für die englische Sprache in allen Computerdingen überraschend – der Trigger für den Einstieg in die Acorn-Welt. Der deutsche Distributor für Süddeutschland, Anagram Systems aus München, bot einen Schülerrabatt von 200 DM an, und so fand ein A3000 in der Grundausstattung für 1999 DM den Weg in mein Computerzimmer und gesellte sich zum guten alten Schneider CPC (übrigens eine interessante Parallele – der CPC464 hatte in der englischen Variante auch eine sehr bunte Tastatur, die von Schneider für den deutschen Markt durch etwas weniger Auffälliges ersetzt wurde). Wie damals üblich kostete ein vernünftiger Monitor dazu praktisch ähnlich viel – NEC MultiSync 3D, 1333 DM. Damit war mein Budget restlos ausgeschöpft.

Weil bei 1 MiB RAM und nur mit einer 800 KiB-Floppy die Dinge oft etwas länger dauerten, konnte ich ausdauernd in den überraschend gut übersetzten deutschen Handbücher schmökern, insbesondere das BBC-BASIC-Handbuch war wirklich erstklassig. Zwei interessante Fehler in der Übersetzung sind mir im Gedächtnis geblieben: im “Welcome Guide” ging das Ohm-Symbol verloren, und so stand neben dem 3,5mm-Kopfhörer-Anschluss der erklärende Text “Anschluss für 32 persönliche Kopfhörer”. Und im “User Guide” stand als Erklärung für das CLI-Kommando “*spool on”: “Schaltet die automatische Spulfunktion ein”. Nicht hilfreich.

Der Spieltrieb wurde mit dem unvermeidlichen Zarch befriedigt, aber auch E-Type und Conqueror waren meine Favoriten. Ebenso Interdictor 2 und später das grandiose Spheres of Chaos. Nachdem ich mir dann die deutsche Version von Pipedream 3 von Colton Software gegönnt hatte (ein sehr intelligentes Produkt, das äußerst elegant eine Textverarbeitung mit einer Tabellenkalkulation integrierte), wurde klar, dass z.B. bei intensiver Nutzung der Outline-Fonts man mit 1 MiB RAM und Floppy nicht glücklich wurde. Und so kamen als Upgrades relativ schnell 4 MiB RAM, SCSI-Mini-Podule und 105MB-Quantum-SCSI-Platte ins Haus nebst externem SCSI-Gehäuse, das später auch noch einen leisen Canon-Lüfter verpasst bekam – echte Qualität, funktioniert heute noch. Damit konnte man arbeiten.

Während die A4xx-Modelle (A410/1, A420/1, A440/1) der Archimedes-Reihe z.B. dank der möglichen Coprozessor-Schnittstelle im Full-Features-Podule, der Unterstützung für Full-Width-Podules, MFM- bzw. ST506-Festplattencontroller on board, 4 Podule-Slots, gesockelter ARM-CPU und offizielle Erweiterbarkeit bis 4 MiB RAM sowie dem High-Resolution-Monochrom-Monitor-Modus noch ausreichend Alleinstellungsmerkmale hatte, sah Acorn für den A3xx keine Zukunft mehr – mit Erscheinen des A3000 wurde die Produktion nach knapp 2 Jahren eingestellt. Der A4xx wurde dann auch erst Ende 1991 durch den A5000 würdig ersetzt – der bereits Mitte 1990 erschienene A540 (der letzte “echte” Archimedes), in dem der ARM3 debüttierte, war eher dem Profi-Bereich vorbehalten und war über doppelt so teuer, auch dank SCSI-Podule serienmäßig und damals unvorstellbar großer 100 MiB-Platte.

Der A3000 bekam dann schließlich im September 1992 gleich zwei Nachfolger – der A3010 zielte mit seinen zwei eingebauten Joystickports nebst HF-Modulator für den direkten Fernseher-Anschluss auf den Heimcomputermarkt, der A3020 war eher für den Schulmarkt gedacht. Es war gleichzeitig die Geburtsstunde des “SoC”: der ARM250 vereinte in einem Chip die CPU (ARM2), den Memory-Controller (MEMC), den Video-Chip (VIDC) und den IO-Controller (IOC). Aber wer es darauf anlegte, konnte den A3000 durchaus entsprechend aufrüsten, um weiter mitzuhalten: das Sockeln des ARM2 ermöglichte die Verwendung des ARM3 bis zur 36 MHz-Variante, der VIDC-Enhancer erlaubte das Hochschrauben des Pixeltakts auf 36 MHz für 800×600 Bildpunkte bei 16 Farben und 56 HZ (SVGA!), mit der Möglichkeit eines externen echten Podules war die Erweiterbarkeit sogar besser als beim A3010 und A3020 (beispielsweise mit einem schnellen SCSI-Podule), und die Econet-Schnittstelle wurde für allerhand Erweiterungen vom Sound-Sampler über ein SCSI-Interface bis zum Joystick-Interface zweckentfremdet. Wer löten konnte, konnte gar die DD-Floppy auf HD aufrüsten – WD1772 gegen ein höher taktbares Exemplar tauschen, Taktfrequenz verdoppeln, ein wenig Software-Magie, und natürlich eine HD-fähige Floppy – fertig. Dazu gab es für mehr CPU-Bumms das Turbo-Upgrade von Ingmar Weigel http://legacy.huber-net.de/TurboA3000.zip, das es erlaubte, den ARM2 nebst dem RAM-Bus auf bis zu 16 MHz hochzuschrauben, sofern es RAM und auch die ROMs vertrugen. 12 MHz ging aber immer, 13,3 MHz fast immer. Das war nicht nur für die reine CPU- und RAM-Geschwindigkeit gut, sondern erlaubte auch das erheblich bequemere Arbeiten bei hohen Auflösungen oder Farbtiefen, da die CPU nicht ständig durch das Video-DMA ausgebremst wurde. Anno 1992 kam mein erster Laserdrucker dazu, zusammen mit dem CC TurboDriver und CCs Impression Style DTP-Software konnte man damit richtig seriöse Dokumente erstellen.

Der mir bekannte Maximalausbau des A3000 bestand aus einem auf 40 MHz übertakteten ARM3, VIDC-Enhancer, Turbo-A3000-Upgrade mit 16 MHz, HD-Floppy-Umbau, Gamer’s Upgrade (ein 4-Joystick-Port-Ausbau, der sich an den I2C-Bus ankoppelte und damit keine der wertvollen “offiziellen” Schnittstellen belegte), Econet, 4-Podule-Backplane mit nachgelöteter Decoder-Logik für den gleichzeitigen Betrieb aller Podules, gesockeltem MEMC und 8 MiB-RAM-Upgrade. Dieser Über-A3000 wohnte dann allerdings in einem handgedengelten Tower-Gehäuse, denn im Tastaturgehäuse war schlicht nicht ausreichend Platz für all diese Upgrades. Und die Hauptplatine war weit gereist: der Besitzer wohnte in Holland, er hatte mir damals das Board geschickt für den Umbau für das Turbo-Upgrade, dann ging es nach England zu Simtec für das Sockeln von ARM2 und MEMC und Einbau des 8 MiB-Upgrade, das eigentlich für den A4xx bestimmt war, und wieder zurück nach Holland.

Mein eigener A3000 war dagegen fast schon konventionell aufgerüstet: Selbst gelötetes Turbo-Upgrade auf 13,3 MHz, selbst gelöteter VIDC-Enhancer, 4 MiB RAM (es stellte sich bald heraus, dass Acorn mit dem “2 MiB RAM max” geflunkert hatte und alle Signale für ein 4-MiB-Upgrade an der RAM-Expansion-Stiftleiste verfügbar waren), LogikJoy-2-Port-Joystick-Interface im Econet-Slot, HCCS-SCSI-Mini-Podule, Serial Upgrade, und schließlich das Dual Serial Podule mit zwei 16550er für anständige Geschwindigkeiten am seriellen Port, denn der serienmäßige 6551 schaffte nur schäbige 19200 Baud, für die gerade anbrechende ISDN-Zeit definitiv zu wenig. Das Podule leistete auch später im Risc PC noch gute Dienste, denn wem reichte schon ein einziger serieller Port? Das HD-Floppy-Upgrade hatte ich zwar geplant und auch alle notwendigen Bauteile beschafft, aber nie durchgeführt. Meine ersten Schritte im Internet habe ich auch mit dem A3000 gemacht, mit einem 2400bps-Modem über einen Einwählzugang an der Uni Stuttgart nebst selbstgedengeltem SLIP-Dialler. Für Telnet und FTP waren 2400bps gerade noch so erträglich, und mein Hauptaugenmerk lag damals DFÜ-technisch noch im Fido-Netz, wo ich dank Binkley und FidoMail einen Fido-Point bei der Piraten-Box von Alexander L. Kastl betrieb.

Erst 1995 wurde mein A3000 durch einen Risc PC 700 abgelöst, als das RAM zu eng, die CPU zu langsam und die Grafik zu schwach wurde. Und die langsam übermächtige Konkurrenz aus der PC-Welt schien durch die PC-Karte durch den Risc PC elegant mit RISC OS vereinbar, das ich inzwischen doch liebgewonnen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte – hier gibt es den passenden Artikel zur Würdigung des Risc PC zu seinem 25-jährigen Jubiläum http://riscosblog.huber-net.de/2019/04/25-jahre-acorn-risc-pc/.